Der Ort Sta Maria

Sta. Maria in Calanca. Das wie ein Schwalbennest an den Hang gebaute Dorf wird überragt von der mittelalterlichen "Torre", die im 13. Jh. von den Sax-Misox gebaut wurde. Die Bauweise ist ganz ungewöhnlich: Auf der Angriffsseite befindet sich ein 6 m dicker Maierkeil, die Treppen sind in den wuchtigen Aussenmauern ausgespart. Ähnliches kann man nur in Donjon-Bauten Frankreichs sehen! Die Aussicht von der Turmzinne auf die Dörfer der unteren Mesolicina ist grossartig! - unterhalb der Torre dann die schimmernd weisse Wahllfahrtskirche Sta. Maria Assunta mit dem schönen romanischen Turm. Schon der Vorplatz mit der sanft zum Portal ansteigenden Treppe und der uralten Linde ist von beglückender Harmonie! Die Ursprünge der Kirche verlieren sich in der Zeit vor der Jahrtausendwende. Aussen am Chrombau findet sich gotisches Mauerwerk, das Portal (1606) gehört der späten Renaissance, während die Endform der Kirche ins 17. JH. gehört. "Fantastisch ist das Innere: Von der Spätgotik zum Klassizismus sind fast alle Stile vertreten. Die Felderdecke (1606, Renaissance, d.... ein Unikum in der Schweiz" (Linus Bin...) 

Das Kirchenschiff wirkt länger als es wirklich ist, weil sich der Raum gegen den Chorbogen hin erweitert. Die üppigen Stukkaturen (1626) stammen von einem Misoxer Meister. Der Hochaltar (1724) hat den viel wertvolleren gotischen Flügelaltar von 1512 verdrängt. Aus finanziellen Gründen musste dieses grosse Altarwerk aus der Werkstatt Strigel/Memmingen an das Basler Historische Museum verkauft werden. Der Rosenkranzaltar enthält gotische Statuen von Strigel. Fragment gotischer Malerei (1480) an der Südwand. Drei Bilder von Grässner (149/50), worunter die "Schlacht bei Lepanto", welches an das Bild in der Vincentiuskirche von Pleiv/Villa erinnert. Kanzel (1640/50) mit vollplastischen Engeln als Verkünder des jüngsten Gerichts. - Dem schönen, alten Pfad folgend nun hinunter nach

Castaneda (=Kastanienwald), das inmitten schöner und fruchtbarer Felder liegt. Weltweit bekannt ist Castaneda unter Fachleuten der Archäologie. - Doch das geht uns wirklich alle an! Was hier ausgegraben wurde oder sich noch unter den ausgreifenden Wurzeln der Kastanienbäume verborgen hält, ist eine vorstufe zu unserer heutigen Zivilisation, ist unsere eigene Geschichte - sofern wir unser Leben als ein kurzes Wegstück in der unendlich langen Menschheitsgeschichte begreifen...

Zwischen den Häusern des heutigen Dorfes, sowie in den Feldern ober- und unterhalb, kamen schon vor der Jahrhundertwende immer wieder Siedlungsreste und Gräber zum Vorschein. Bei systematischen Grabungen fand man weitere Siedlungsteile und das grosse Gräberfeld der späteisenzeitlichen Lepontierkultur (6.-4. Jh. v. Chr.). Die Lepontier waren aus Oberitalien zugezogene Kelten, die hier führend wurden und ein erstaunliches Kulturzentrum schufen. in der Nekropole legte man Steinkistengräber mit Körperbestattung frei. Viele Gunde zeugen von der Lebensweise dieser Leute. Berühmt ist die erruskischen Schriftzeichen (im RMC). Die Gräber erhielten zahlreiche Beigaben: Tongefässe, Bronzekessel, Schwerter, Bronzeschmuck usw. Bersteinketten aus der Ostsee belegen den urgeschichtlichen Handel über die Alpenpässe. Reiche Grabinhalte weisen auf den starken Jenseitsglauben dieser Kelten hin. Interessanterweise decken sich diese Grabbeigaben weitgehend mit den Funden in bretonischen Dolmen. Für neues Aufsehen sorgten die Archäologen 1980 bei Grabungen auf dem Areal des seither gebauten Talschulhauses: Man fand Spuren von jungsteinzeitlichem Pflugackerbau (2400 v. Chr.), als Bestätigung vorher gemachter Funde im Churer/Welschdörfli. Bislang glaubte man, dass der Pflug in Europa erst in der Bronzezeit verwendet worden sei. Die Verwendung des Pfluges hatte revolutionierende Auswirkungen auf das menschliche Leben. Die Entdeckungen von Chur und Castaneda haben gewisse Vorstellungen korrigiert. Funde im RMC, LMZ und Museen von Lugano, London München usw. Aber noch hat hier der Boden nicht alle Geheimnisse preisgegeben. - Das Dorf auf der Ostseite verlassen, zuerst auf Hartbelag, dann auf schattiger Naturstrasse, bis man dann unvermittelt die mediterrane Vegetation des oberen Dorfteiles von Grono erlebt: Reben, Feigen, Lorbeer, Kamelien, Pinien und Palmen säumen den Weg.